Ein braunes Pferd mit blonder Mähne und blonden Griffelbeinen auf einem unbefestigten Weg hinter einem Pferdezaun. Es handelt sich um einen Kaltblüter.

Fahrt nach Ungersheim – ein Dorf wie kein anderes?

Die GLU Friesenheim organisierte im Oktober 2023 für alle interessierten Bürgerinnen und Bürger eine Fahrt nach Ungersheim. Am 03. Oktober machten sich 16 Interessierte auf den Weg, das Ökodorf nahe Müllhouse zu besuchen.

Der Bürgermeister des Dorfes und Visionär Jean Claude Mensch informierte die deutschen Gäste aus Friesenheim im Gemeinschaftshaus und machte danach eine 2-stündige Führung durch den Ort.

Ungersheim ist ein Dorf wie jedes andere. Keines von der malerischen Sorte, von denen es im Elsass so viele gibt. Ein Bäcker, ein Gasthaus, das derzeit geschlossen hat, ein großer Parkplatz, ein Gemeinschaftsladen und das Rathaus. Wer sich um die Mittagszeit zufällig in der Nähe der Grundschule aufhält, staunt allerdings nicht schlecht. Da zuckelt ein Pferdewagen vorbei, gezogen vom Gaul Richelieu oder einem seiner zwei Kollegen, und nimmt ein Dutzend Kinder in Empfang, um sie dann nach Hause zu fahren. Um halb zwei Uhr sammelt sie der Kutscher wieder ein und liefert sie in der Schule ab. Sicher, viele Jungs und Mädchen werden mit dem Auto zum Unterricht gebracht. Nach wie vor. Das mit der Kutsche ist ohnehin „nur ein Baustein von vielen“.

Dies sagt Jean-Claude Mensch, der Bürgermeister von Ungersheim. Seit 1989 hat ihn das 2500-Einwohner-Dorf als parteilosen, inhaltlich doch sehr grünen Kandidaten fünf Mal ins Bürgermeisteramt gewählt. Gleich zu Beginn der ersten Amtszeit ließ er eine mit Holz befeuerte Heizung in die Sporthalle einbauen, Solarzellen beheizten fortan das Schwimmbad.
Mensch verbannte Pestizide und Düngemittel aus den Grünanlagen und reduzierte den Stromverbrauch der Straßenbeleuchtung um 40 Prozent.
Seit 2005 hat er rund 100 Arbeitsplätze geschaffen, auch über soziale Eingliederungsmaßnahmen in der Landwirtschaft. 600 Tonnen Treibhausgas sowie 120 000 Euro im Gemeindehaushalt hat er eingespart, rechnet er vor.

Selbstversorgung, geschlossene Kreisläufe, alles verwerten – das will Bürgermeister Mensch. Logisch auch, dass sich der Gemeinderat in einer Resolution gegen den Weiterbetrieb des Akw im 20 Kilometer entfernten Fessenheim ausgesprochen hat. Doch ganz ohne Strom von außerhalb geht es nicht – trotz des dorfeigenen Solarkraftwerks. Seit zwei Jahren wandeln in Ungersheim Photovoltaik-Platten auf 40 000 Quadratmetern Licht in Strom um für 10 000 Menschen. Es ist angeblich die größte Anlage dieser Art im Elsass. „Wir werden nie zu einhundert Prozent unabhängig sein, schließlich leben wir nicht auf einer Insel“, sagt Mensch. „Wir wollen so weit wie möglich gehen.“

Ist er naiv? Nein, antwortet Mensch, er sei Realist und Idealist. Ohne Ideale könne der Mensch nicht leben. Das ultraliberale Wirtschaftssystem sei am Ende. „Wir versuchen etwas anderes. Andere Lebensformen sind möglich“, beteuert er. Lokale Politik sei zum großen Teil Überzeugungsarbeit.

Aus den Gemüse-Resten der Bio-Gärtnerei werden Suppen gekocht und im Gemeinschaftsladen verkauft.

So entstand auch in jüngster Zeit eine Bio-Gärtnerei und einen Biohof, den ein Trägerverein betreibt. Täglich werden mehr als 500 Gemüsekisten bestückt und vermarktet, die Schulkantine liefert 500 Essen an Schulen in Ungersheim und den umliegenden Dörfern. Die Reste wandern in die örtliche Suppenküche, wo diese als Suppen verarbeitet im Dorf- Gemeinschaftsladen verkauft werden. Ebenso entstand durch aktive Dorfbewohner ein ringförmig angelegter Gebäudekomplex, das als Aufenthalts- und Besprechungsraum dient. Nebenan ist ein Raum der eine Brauerei beherbergt.

10 Ökohäuser zählen ebenso zu den Projekten des umtriebigen Bürgermeisters, der kein sechstes Mal mehr kandidieren will.


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